Im Verhältnis von Großstadt und Provinz, Urbanität und Peripherie, Metropole und Land hat sich im vergangenen Jahrzehnt ein manifester politischer Konflikt herausgebildet: zwischen „Anywheres“ und „Somewheres“, zwischen mobilen und immobilen Schichten, zwischen hippen Stadtmenschen und wütenden Provinzbewohner:innen, die sich von den Strömen der Zukunft verraten und verkauft fühlten. Dieser kulturelle Riss bildete auch eine Antriebskraft des Populismus. Doch auch hier hat die Pandemie einen Kipppunkt erzeugt oder sichtbar gemacht.

Die Sehnsucht nach Natur und Weite, nach Autarkie steigt, der grenzenlose Zuzug in die Metropolen ist gestoppt. Ländliche Regionen werden wieder attraktiver, großstädtisches Leben verliert seinen Hype-Charakter. Diese Umkehrung ist historisch nichts Neues: Ungefähr alle 50 Jahre kehrt sich die Sehnsuchtsrichtung zwischen Stadt und Land um. Vor 200 Jahren, am Anfang der Industrialisierung, schuf die Romantik mit dem Symbol der blauen Blume eine Abkehrbewegung vom entfremdeten Stadtleben. In den 1970er-Jahren verloren Großstädte Einwohner:innen, weil die Innenstädte eine Verwahrlosungskrise erlebten und eine junge Generation ihren Landsehnsüchten folgte. Heute sind manche Metropolen zu teuer, zu eng und zu stressreich geworden, und die Vernetzung ermöglicht zunehmend dislozierte Arbeitsformen.

So geraten die sozialen Topografien von Stadt und Land in eine Rekursionsschleife. In Großstädten entwickeln sich immer mehr „dörfliche“ Lebensstrukturen, mit neuen Mischfunktionen und kooperativen Lebensstilen, von Co-Living, Co-Working und Co-Gardening bis zur 15-Minuten Stadt.

Auf der anderen Seite gibt es mehr „Renaissance-Dörfer“, in die wieder soziales Leben einzieht. Attraktivere Klein- und Mittelstädte entwickeln Innovationskonzepte, um Jüngere und Kreative anzuziehen. Kurzum: Ländliche Strukturen verstädtern, großstädtische Landschaften verdörflichen. Diesen Konversionsprozess nennen wir Rurbanisierung – die rurale Redefinierung der Urbanisierung.

Quelle: www.zukunftsinstitut.de